Page 29 - Weiss, Jernej, ur./ed. 2021. Opereta med obema svetovnima vojnama ▪︎ Operetta between the Two World Wars. Koper/Ljubljana: Založba Univerze na Primorskem in Festival Ljubljana. Studia musicologica Labacensia, 5
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arnold schönbergs verhältnis zur populären musik ...

zogen anläßlich eines Gastspiels am Wiener Carltheater7, das Schönbergs
Schwager Alexander Zemlinsky sechs Jahre leitete und dort vor allem Ope-
retten dirigierte.

1903 kehrte Schönberg nach eineinhalbjährigem Berliner Aufenthalt,
wo sich seine beruflichen Hoffnungen zerschlagen hatten, nach Mödling
zurück und mußte wieder die Instrumentierung von Werken anderer auf-
nehmen. Es existiert ein Brief an Karl C. Posa (1873–1951), mit dem sowie
mit Alexander Zemlinsky er 1904 die Vereinigung schaffender Tonkünst­
ler in Wien gegründet hatte, auch zum Eigenzweck. Sie sollte laut Statuten
die „Pflege und Förderung der Werke der zeitgenössischen Tonkunst“ sowie
„die Wahrung der künstlerischen und Standesinteressen ihrer Mitglieder“
fördern (Ehrenmitglieder waren Gustav Mahler und Ferruccio Busoni).
Schönberg berichtete Posa von der Fron seiner Nebentätigkeit, die seine ei-
gentliche Arbeit (damals das Streichquartett op. 7 und das Lied für Orche-
ster op. 8/4) behindere:

Vielleicht komme ich aber doch noch dazu. Leider muss ich viel
Fischof [sic!]8 claviermäßig verschlucken, und orchestermäßig her­
ausbrechen, wiedergeben! Ich habe kürzlich gesagt, wenn mir ein­
mal Gedenktafeln an Landorten gesetzt werden müßten: „hier
componierte er ...“, so könnte es leider immer nur heißen: ‚Hier in­
strumentierte er die Oper von Fischof [sic!] oder Holländer9 etc. Ich
werde wohl einmal dadurch berühmt werden. Für meinen vorher
erwähnten Ehrgeiz ein hohes Ziell [sic!]“10

Die Liebe zur qualitativen populären Musik aber blieb und zieht sich
durch das gesamte Werk, siehe die Walzerbearbeitungen Schönbergs, Bergs
und Weberns für einen Abend des Vereins für musikalische Privatauffüh-
rungen in Wien am 27. Mai 1921 oder die Bearbeitung der Drei Volkslieder
für gemischten Chor a cappella op. 49 (1948). Sie findet sich auch in Werken
der Zwölftontechnik, etwa der Suite für kleine Klarinette, Klarinette, Baß­
klarinette, Geige, Bratsche, Violoncello und Klavier op. 29 (1924–26)11 oder

7 Ibid., 46.
8 Robert Fischhof (1856–1918), österreichischer Pianist und Komponist. Schönberg

arbeitete damals an der Instrumentierung und dem Klavierauszug der Oper Der
Bergkönig (UA Graz 1906).
9 Victor Hollaender (1866–1940), Operetten- und Revuekomponist, komponierte
auch für das Überbrettl.
10 Brief vom 13. Juli 1904 aus Mödling.
11 Peter Andraschke, „Volkstümlichkeit (Länder, Walzer, Marsch) in der Wiener Klas-
sik und in der Wiener Schule“, in Mozart und Schönberg. Wiener Klassik und Wiener

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