Page 77 - Weiss, Jernej, ur./ed. 2021. Opereta med obema svetovnima vojnama ▪︎ Operetta between the Two World Wars. Koper/Ljubljana: Založba Univerze na Primorskem in Festival Ljubljana. Studia musicologica Labacensia, 5
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der kampf der komponisten der „heiteren musik“ um anerkennung ...

die eine Abart Literatur ihr einbringt, – und wenn ich Dienstag er­
fahre, daß ein ganz großer deutscher Dichter, dem der Nobelpreis
winkt, in feierlicher Weise Abschied von seiner liebsten Gewohnheit
– dem täglichen Glase Bier – nehmen mußte?

Oder sollte unser dreimal verfluchtes Zeitalter so verrückt sein,
dem ganz großen deutschen Dichter zuzumuten, Operettenlibret­
ti zu schreiben? – – –4
Bevor nun das Thema „Schutzfrist“ in den Blick genommen wird, sei
ein letztes Zitat eingeschaltet, das den niedrigen Stellenwert der Operet-
te bestätigt, ihn aber vehement bekämpft. Es erschien in der Zeitung Neu­
es Wiener Journal, stammt von dem angesehenen deutschen Komponisten
sowie Dirigenten Leo Blech und trägt den vielsagenden Titel „Meine Ent-
gleisung in die Operette. Mit einem Ausspruch von Gustav Mahler über
die Operette“. Die Redaktion stellte dem Artikel die folgende Bemerkung
voran:

Der bekannte Berliner Operettenkapellmeister Leo Blech hat be­
kanntlich im vorigen Jahre [am 5. Februar im Dresdener Zentral-
theater] mit einer Operette „Die Strohwitwe“ debütiert [...]. Offen­
bar hat der überaus ernste und gediegene Musiker sich dadurch
den Vorwurf des Unrechtes und der Tantiemenschinderei zugezo­
gen, denn er ergreift spontan die Gelegenheit zu einer künstleri­
schen Rechtfertigung [...].
Und Blech beschrieb seine „Entgleisung“ folgendermaßen:

Wie ich zur Operette kam ? Ich glaube, sie kam zu mir. Nimmer­
mehr hätte ich dem schon lange Jahre gehegten Wunsch, eine Ope­
rette zu schreiben, nachgegeben, wenn mich nicht ein inneres Wol­
len getrieben hätte.

Die innere Anlage für diese, so oft vergewaltigte, musikalisch-dra­
matische Form war bei mir wohl schon lange bemerkbar. Richard
Strauß war es, der mir nach dem Anhören meiner Oper „Rappel­
kopf“ sehr lebhaft riet, dem Plan, eine feine Operette zu schreiben,
ernstlich näherzutreten.

Zur rechten Zeit gesellte sich dem inneren Wunsch die äußere Ver­
anlassung in Form eines, mir vom Verlag angebotenen, mir per­

4 Der Tag, 21. September 1923, 3.

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