Page 32 - Weiss, Jernej, ur. 2020. Konservatoriji: profesionalizacija in specializacija glasbenega dela ▪︎ The conservatories: professionalisation and specialisation of musical activity. Koper/Ljubljana: Založba Univerze na Primorskem in Festival Ljubljana. Studia musicologica Labacensia, 4
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konservator iji: profesionalizacija in specializacija glasbenega dela

In Wien hatte mittlerweile wieder Ignaz Mosel die Initiative ergriffen
und am 2. Februar 1811 den nächsten Schritt gesetzt: ln einer „Skizze einer
musikalischen Bildungsanstalt für die Haupt- und Residenzstadt des öster-
reichischen Kaiserstaates“ legte er nicht nur einen genauen Organisations-
und Finanzplan eines solchen Institutes vor, sondern er versuchte darü-
ber hinaus auch, den „Staat“ bzw. seine Repräsentanten bei ihrer Ehre zu
nehmen:

Wenn der Staat in unseren Zeiten es auch unter seiner Wür-
de hält, gleich den, als Legislatoren doch immer merkwürdi-
gen30 Griechen und Römern, die Musik in unmittelbaren, öf-
fentlichen Schutz zu nehmen, und ihr durch Gesetze Rang und
Wirkungskreis vorzuzeichnen; so dürfte es gleichwohl für nicht
unwichtig erachtet werden, diese Kunst von Seite der Regie-
rung zu begünstigen, zu befördern, und auszuzeichnen, indem
die Behauptung keineswegs übertrieben ist, daß man den Grad
der Bildung eines Volkes nach dem Grade beurtheilen kön-
ne, in welchem es für die Musik empfänglich ist, und dieselbe
kultiviert.31
Der „Staat“ jedoch, der damals – wie so oft – die Bereiche Bildung

und Kultur nicht zu seinen vordringlichsten Anliegen zählte, tat nichts.
So schritten einige kulturbewußte Frauen und Männer aus Adel und Bür-
gertum zur Selbsthilfe:32 Die just im Februar 1811 gegründete „Gesellschaft
der adeligen Frauen zur Beförderung des Guten und Nützlichen“ veran-
staltete am 29. November und 3. Dezember 1812 in der kaiserlichen Win-
terreitschule ein von 590 Mitwirkenden bestrittenes Monsterkonzert, auf
dessen Programm Georg Friedrich Händels Oratorium „Timotheus oder
die Gewalt der Musik“ stand, das „Alexanderfest“ in der Mozartschen

30 Hier im Sinne von „des Merkens würdig“ verwendet, vergleichbar unserem heutigen
„bemerkenswert“.

31 M. [Ignaz Mosel], „Skizze einer musikalischen Bildungsanstalt für die Haupt= und
Residenzstadt des österreichischen Kaiserstaats“, Vaterländische Blätter für den ös-
terreichischen Kaiserstaat 4, Nr. 10 (2. Februar 1811): 57–66, hier 57.

32 Zur Geschichte des Conservatoriums der Gesellschaft der Musikfreunde siehe Hart-
mut Krones, »[„]...der schönste und wichtigste Zweck von allen...[“]. Das Conser-
vatorium der „Gesellschaft der Musikfreunde des österreichischen Kaiserstaates“«,
Österreichische Musikzeitschrift 43, Nr. 2–3 (1988): 66–83, https://doi.org/10.7767/
omz.1988.43.23.66.

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