Page 37 - Weiss, Jernej, ur. 2020. Konservatoriji: profesionalizacija in specializacija glasbenega dela ▪︎ The conservatories: professionalisation and specialisation of musical activity. Koper/Ljubljana: Založba Univerze na Primorskem in Festival Ljubljana. Studia musicologica Labacensia, 4
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paris – pr ag – wien: zur frühen entwicklung musikpädagogischer konzepte

le handelte; die weitere Ausbildung hatte damals nach wie vor im privaten
Bereich stattzufinden. – Der Moselsche Entwurf wurde schließlich zur Be-
gutachtung ausgesandt, und nach der Einarbeitung der Stellungnahmen
legte Mosel am 14. Mai 1817 einen umfassenden „Entwurf der zu errich-
tenden Singschule“ vor, mit welcher Anstalt man einen bescheidenen An-
fang machen wollte, da „das Wankende in finanzieller Hinsicht“ die Errich-
tung des Conservatoriums „hindere“. Und so begannen am 4. August 1817,
einem Montag, die Lehrstunden: Zwölf Knaben und zwölf Mädchen wur-
den von den „Singlehrern“ Philipp Korner und Josef Frühwald auf der Basis
von Joseph Preindls „Anleitung zur Singkunst“ unterrichtet; ihr Jahresge-
halt betrug zunächst 600 Gulden (Wiener Währung), bald jedoch erhiel-
ten sie 1.000 Gulden.

Die Kinder (bzw. deren Eltern) mußten sich für vier Jahre verpflich-
ten, weiters hatten sie „pünktlich“ sowie „reinlich und anständig gekleidet“
beim Unterricht zu erscheinen. Die Eltern hatten sich zu verbürgen, daß
der Zögling

an keinem öffentlichen Orte sich weder einzeln, noch im Chor oder
Orchester hören lassen werde, wenn es nicht ausdrücklich von der
Gesellschaft gestattet worden wäre –

diese wollte die Früchte des Unterrichts, der die Kinder nichts kostete, ver-
ständlicherweise selber genießen; und so wirkten die Gesangs-Zöglinge
bald in den großen Gesellschaftskonzerten mit, die ab 3. Dezember 1815
viermal jährlich stattfanden.

Ab November 1818 gab es auch einen Lehrer für die italienische Spra-
che, ab April 1819 eine Singmeisterin für die Mädchen, und ab 1. September
unterrichtete der berühmte Geiger Joseph Böhm; einer seiner bedeutends-
ten Schüler war Georg Hellmesberger, der dann bereits 1824 als gleichbe-
rechtigter Professor aufscheint. Ab Jänner 1820 unterrichtete der berühm-
te Violoncellist Anton Kraft, starb aber bereits im folgenden Sommer, ab
Herbst 1820 war Karl Gottfried Salzmann unentgeltlicher Lehrer für Kla-
vier und Generalbaß, lehrte also das heute „Klavierpraktikum“ genann-
te Fach, nicht aber Klavier als virtuoses Soloinstrument, welches Fach erst
1833 eingerichtet wurde; doch selbst da galt das Klavierspiel noch in erster
Linie als „zur Selbstbegleitung des Gesanges nöthig“.

Am 16. 0ktober 1820 fand die erste öffentliche Prüfung statt. Zunächst
führten die Gesangschüler Tonleitern „aus allen Tönen und Takten“ vor,
dann folgten in bunter Reihe Solostücke, Ensembles und Chöre, wie es

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