Page 136 - Vinkler, Jonatan, in Jernej Weiss. ur. 2014. Musica et Artes: ob osemdesetletnici Primoža Kureta. Koper: Založba Univerze na Primorskem.
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musica et artes
druck. Von einer Seite wird dadurch das Fundament für den späteren künst-
lerischen Schwung in der Musikkultur des Landes gelegt, der erst mit den
ersten Jahrzehnten des neuen Jahrhunderts aufbricht. Anderen aber müssen
wir zugestehen, dass neben den anerkannten Persönkichkeiten auch die an-
deren Künstler, derer Namen oft in den historischen Studien über die Kul-
tur nicht erwähnt worden sind.. Erinnern wir uns an manche erwähnte und
hier nicht erwähnte Namen von Komponisten, die durch ihren schöpfe-
rischen Nachlass zu seiner Zeit eine gewisse Verehrung in damaliger Gesell-
schaft verdient haben, sind leider aber in mehreren wissenschaftlichen und
kritischen Werken halbverächtlich als »Komponisten-Amateure« bezeich-
net und dementsprechend nur als »historische Tatsache« betrachtet. Diese
Bezeichnung lässt ausserhalb der Grenzen der kritischen und wissenschaft-
lichen Bewertung die vielen Kennwerte ihres Schaffens, in erster Linie das
Kriterium der objektiven künstlerischen Werte für die Gesellschaft auf der
gewissen Stufe ihrer Entwicklung, sowie der Entsprechung den geistlichen
Ansprüchen eigener Nationalumgebung. Bei der Bewertung der künstle-
rischen Werte und dem Ausmass der Originalität dieses Nachlasses müssen
die dem breiten Kreis der Galizischen Intellektüllen, vor allem der Künstler,
charakteristischen Tendenzen des geistlichen Lebens beachtet werden.

Man hat schon auf die unfreundliche Einstellung der breiten Massen
von Zuhörern hinsichtlich der zu sehr radikalen, ungewöhnten, die festge-
legten Kanone der Nationaltraditionen störenden Elemente hingewiesen.
Aber auch die vielen ernsten progressiv denkenden Künstler, stark beein-
flusst von dieser Meinung, hatten Befürchtungen im Blick auf das kommen-
de Neue. Die galizischen Intellektuellen, nicht nur die ruthenischen aber
auch die polnischen, bildeten zu dieser Zeit keine Ausnahme, im Gegen-
teil, sie werden als typische Quelle der konservativen Geschmacke betrach-
tet, als das Feindliche und Unfreundliche gegenüber dem neuen und unge-
wöhnlichen Kuststil. In diesem Sinne betrachtete die Ziele seines Werkes zu
dieser Zeit auch Fran Gerbič, wovon dargelegte Chorsammlung klar zeugt.
Dadurch hat er so positiv in Lemberger Milieu eingewurzelt und hier solche
Freunde wie Czerwinski gefunden hat, daß in diesem Moment verstand die
national-aufklärische Aufgaben des Musikwerkes als primäre in seiner schöp-
ferischen Tätigkeit.

Doch diese Situation im Musikleben und Schaffen der galizischen
Komponisten konnte sich nicht mehr lange behalten, weil sie grade ein we-
sentliches Hindernis den künstlerischen Prozessen gegenüber bildete, die
sich in den europäischen Zentren vollzogen haben. Auch die galizische Kul-
tur – wie auch slovenische Musikschule – ergriff schnell die neue Richtung

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