Page 89 - Vinkler, Jonatan, in Jernej Weiss. ur. 2014. Musica et Artes: ob osemdesetletnici Primoža Kureta. Koper: Založba Univerze na Primorskem.
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hugo wolf in perchtoldsdorf: uber die mörike-lieder
laß.31 In ihm reflektiert er Wolfs erstaunliche Wirkungsgeschichte in den le-
tzten Jahren, die der kranke Komponist in den Nervenheilanstalten kaum
noch wahrgenommen hat.
»Vor einem Jahrzehnt gänzlich unbekannt – und heut zu Tage als Franz
Schuberts Freund und Bruder im Geiste von allen Seiten anerkannt, bewun-
dert, bejubelt!«32 »Hugo Wolf, der nie um die Gunst des Volkes, um die Aner-
kennung seiner Zeitgenossen buhlte, ist Mode geworden!« Man muß sich aber
mit allen Kräften dafür einsetzen, daß er letztlich »nicht Mode, sondern
Herrscher im liederreichen Herzen des deutschen Volkes werde.«33
Und Reger hebt den künstlerischen Wert, vor allem der von ihm heraus
gegebenen Kompositionen, hervor. Das Reger-Werk-Verzeichnis bewertet die-
sen Aufsatz als
eine flammende Anklageschrift gegen die unwissende Mitwelt und böswillige Kri-
tik […] Wolf wird hier zur Identifikationsfigur des verkannten Künstlers, der trotz
aller Mißerfolge jedes Zugeständnis an den Publikumsgeschmack und an Interpre-
tengewohnheiten ablehnt.34
Wenige Wochen nach Wolfs Tod beschäftigte sich Anton Webern mit
der Orchestrierung von Denk’ es, o Seele!. Die Arbeitspartitur ist datiert mit
»Preglhof, 16. April 1903«. Bearbeitungen der Mörike-Lieder Der Knabe
und das Immlein und Lebe wohl blieben Fragment.35
Der Knabe und das Immlein36 HWW 119/2
Ein kurzer Blick sei auf die in Perchtoldsdorf entstandene Vertonung Der
Knabe und das Immlein HWW 119/2 gerichtet. Sie entstand am 22. Februar
1888. Der euphorisch gestimmte Wolf komponierte an diesem Tag noch zwei
weitere Mörikegedichte: Ein Stündlein wohl vor Tage HWW 119/3 und Jä-
gerlied HWW 119/4.
Der Knabe und das Immlein37
31 Max Reger, „Hugo Wolfs künstlerischer Nachlaß“, in Süddeutsche Monatshefte 1, Heft 2 (1904): 157-
164. Im Folgenden zitiert nach dem Abdruck bei Karl Hasse, Max Reger. Mit acht eigenen Aufsät-
zen von Max Reger, Die Musik 42-44 (Leipzig: Siegel o. J. [um 1920]), 179-190.
32 Ibid., 179.
33 Ibid.,182.
34 Reger-Werk-Verzeichnis, zu RWV A3 „Hugo Wolfs künstlerischer Nachlaß“ (Anm. 26), 1365.
35 Paul Sacher Stiftung Basel, Sammlung Anton Webern, 137-139.
36 Volkstümliche Bezeichnung für Bienlein.
37 Eduard Mörike, Gedichte. Ausgabe von 1867, 1. Teil: Text. Historisch-kritische Gesamtausgabe. Werke
und Briefe. Bd. 1, Teil 1, hg. von Hans-Henrik Krummacher (Stuttgart, 2003), 20. - Die Orthogra-
phie des vorliegenden Wiedergabe entspricht dem Notentext in der Gesamtausgabe. An Satz-
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laß.31 In ihm reflektiert er Wolfs erstaunliche Wirkungsgeschichte in den le-
tzten Jahren, die der kranke Komponist in den Nervenheilanstalten kaum
noch wahrgenommen hat.
»Vor einem Jahrzehnt gänzlich unbekannt – und heut zu Tage als Franz
Schuberts Freund und Bruder im Geiste von allen Seiten anerkannt, bewun-
dert, bejubelt!«32 »Hugo Wolf, der nie um die Gunst des Volkes, um die Aner-
kennung seiner Zeitgenossen buhlte, ist Mode geworden!« Man muß sich aber
mit allen Kräften dafür einsetzen, daß er letztlich »nicht Mode, sondern
Herrscher im liederreichen Herzen des deutschen Volkes werde.«33
Und Reger hebt den künstlerischen Wert, vor allem der von ihm heraus
gegebenen Kompositionen, hervor. Das Reger-Werk-Verzeichnis bewertet die-
sen Aufsatz als
eine flammende Anklageschrift gegen die unwissende Mitwelt und böswillige Kri-
tik […] Wolf wird hier zur Identifikationsfigur des verkannten Künstlers, der trotz
aller Mißerfolge jedes Zugeständnis an den Publikumsgeschmack und an Interpre-
tengewohnheiten ablehnt.34
Wenige Wochen nach Wolfs Tod beschäftigte sich Anton Webern mit
der Orchestrierung von Denk’ es, o Seele!. Die Arbeitspartitur ist datiert mit
»Preglhof, 16. April 1903«. Bearbeitungen der Mörike-Lieder Der Knabe
und das Immlein und Lebe wohl blieben Fragment.35
Der Knabe und das Immlein36 HWW 119/2
Ein kurzer Blick sei auf die in Perchtoldsdorf entstandene Vertonung Der
Knabe und das Immlein HWW 119/2 gerichtet. Sie entstand am 22. Februar
1888. Der euphorisch gestimmte Wolf komponierte an diesem Tag noch zwei
weitere Mörikegedichte: Ein Stündlein wohl vor Tage HWW 119/3 und Jä-
gerlied HWW 119/4.
Der Knabe und das Immlein37
31 Max Reger, „Hugo Wolfs künstlerischer Nachlaß“, in Süddeutsche Monatshefte 1, Heft 2 (1904): 157-
164. Im Folgenden zitiert nach dem Abdruck bei Karl Hasse, Max Reger. Mit acht eigenen Aufsät-
zen von Max Reger, Die Musik 42-44 (Leipzig: Siegel o. J. [um 1920]), 179-190.
32 Ibid., 179.
33 Ibid.,182.
34 Reger-Werk-Verzeichnis, zu RWV A3 „Hugo Wolfs künstlerischer Nachlaß“ (Anm. 26), 1365.
35 Paul Sacher Stiftung Basel, Sammlung Anton Webern, 137-139.
36 Volkstümliche Bezeichnung für Bienlein.
37 Eduard Mörike, Gedichte. Ausgabe von 1867, 1. Teil: Text. Historisch-kritische Gesamtausgabe. Werke
und Briefe. Bd. 1, Teil 1, hg. von Hans-Henrik Krummacher (Stuttgart, 2003), 20. - Die Orthogra-
phie des vorliegenden Wiedergabe entspricht dem Notentext in der Gesamtausgabe. An Satz-
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