Page 137 - Weiss, Jernej, ur. 2017. Glasbene migracije: stičišče evropske glasbene raznolikosti - Musical Migrations: Crossroads of European Musical Diversity. Koper/Ljubljana: Založba Univerze na Primorskem in Festival Ljubljana. Studia musicologica Labacensia, 1
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antonio lolli – auf der route bergamo–stuttgart –sankt-petersburg–neapel

Das Leben Lollis in Stuttgart verlief ziemlich komfortabel. Herzog
Karl Eugen zog es vor, sich nicht in die Angelegenheiten der Kapelle einzu-
mischen und übertrug diese Jommelli: wie Lolli in einem Brief an Martini
am 23. Februar 1759 anmerkte, „was seine (Jommellis – V.G) professionelle
Eigenschaften anbetreffen, so ist Ihre Hoheit mit ihm sehr zufrieden; wir
alle lieben ihn von ganzem Herzen“3.4 Jommelli seinerseits schätzte Lol-
li sehr. Das Jahreseinkommen von 2000 Florin (so war die ursprüngliche
Summe, die sich später mehrfach erhöhte) versorgte Antonio und seine Fa-
milie materiell. Die Ehefrau Lollis war die Primaballerina Nanette Sauveur
(wurde 1760 am Theater engagiert), die er Mitte der 60er Jahre heiratete. Im
Künstlerverzeichnis des Württembergischen Hofes für das Jahr 1767 wird Lol-
li – Sauveur als 2. Solistin mit einem Gehalt von 2630 Florin geführt. Im Jahr
1771 war sie schon 1. Solistin und ihr Gehalt (4000 Gulden) entsprach durchaus
ihrem Status. Es ist unbekannt, wie viele Kinder das Ehepaar Lolli hatte. Die
Geschichte überlieferte nur den Namen ihres Sohnes Phillippo, der 1773 gebo-
ren wurde und später konzertierender Cellist wurde.5

Im schöpferischen Plane konnte man sich für einen europäischen Gei-
ger der damaligen Zeit nur schwer einen anderen Platz als Stuttgart wün-
schen. Die Allianz der drei bedeutenden Künstler: des Komponisten N. Jom-
melli, des Choreographen J. Noverre und des Geigers P. Nardini brachte eine
Reihe bedeutsamer Erscheinungen des Musik- und Theaterlebens hervor: die

3 Zitat aus A. Mell, „Lolli“, Musikgeschichte und Gegenwart (MGG) (Kassel: Bärenreiter,
1960), Bd. 8, Spalte/Reihe 1130.

4 See auch: AMZ, 1799, № 39, Spalte/Reihe 611. Es wäre höchst interessant, den Namen
des Autoren jenes bemerkenswerten Artikels herauszufinden, der nach damaliger
Tradition, ohne Unterschrift veröffentlicht wurde. Riskieren wir es, die Vermutung
zu äußern, dass jener Artikel aus der Feder des berühmten Komponisten, Geigers und
Schriftstellers Johann Friedrich Reichhardt stammte. Dafür sprechen einige Fakten.
1. war es Reichhardt, der 1794 in der Nähe von Leipzig in Giebichenstein bei Halle
lebte und hauptsächlicher Autor bei der „AMZ“ zu Fragen der Geigenkunst war. 2.
chronologisch gesehen, konnte er durchaus bei Lolli 1772 ein Praktikum absolvieren,
da seine Konzerttournee mit der Sängerin K. W. Schröter in den gleichen Städten
verlief wie Lollis Auftritte, da der Unterricht bei Lolli nicht lange dauerte und sich
nur über einen Monat hinzog. 3. sprechen konkrete Details und spezifische techno-
analytischen Einzelheiten davon, dass der Artikel von einem hochqualifizierten
Geiger und Komponisten und intelligenten, hervorragend die literarische Stilistik
beherrschenden Schriftsteller geschrieben wurde: eine Kombination, deren einziger
Repräsentant Ende des XVIII – Anfang des XIX. Jahrhunderts in Deutschland eben
dieser Reichhardt war.

5 Wie R.–A. Mooser annimmt, könnte die Sängerin Brigida Lolli, die erfolgreich in
den 1770er Jahren auf den Bühnen in Modena, Venedig und Warschau auftrat, die
Tochter von Lolli sein. Nach Ansicht zeitgenössischer italienischer und deutscher
Wissenschaftler war B. Anelli – Lolli die Schwester von Antonio.

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