Page 107 - Weiss, Jernej, ur./ed. 2021. Opereta med obema svetovnima vojnama ▪︎ Operetta between the Two World Wars. Koper/Ljubljana: Založba Univerze na Primorskem in Festival Ljubljana. Studia musicologica Labacensia, 5
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operette trifft tonfilm

Dieses machte es nunmehr möglich, Sprache, Musik und Geräusche jeweils
synchron und ohne große Qualitätsverluste aufzunehmen.8

Durch diesen Technologiesprung im Medium Film (v. a. in Hinblick
auf die Distribution) entwickelte sich – parallel zu Operettenfilmen – auch
das von der Ufa maßgeblich geprägte intermediale Genre der Tonfilmope-
rette, in dem innerhalb eines neuen Werks u. a. die Dramaturgie des Büh-
nengenres Operette mit derjenigen des Erzählkinos innerhalb des Medi-
ums Film miteinander verbunden werden. Als Beispiel sind hier u. a. Der
Kongress tanzt (1931), der stilistische, wie musikalisch-dramaturgische Be-
züge zur Wiener Operettentradition aufweist, oder eben auch Die Drei von
der Tankstelle (1930) zu nennen.9 Die Tonfilmoperette griff jedoch nicht nur
musikalisch-dramaturgische Konventionen der Bühnenoperette auf, son-
dern verband diese mit Elementen aus dem zeitgenössischen Variététheater
und dem Kabarett, wobei sich hier die Stadt Berlin als ein weiteres wichti-
ges Zentrum etablierte.10

Die vielfältigen ideologischen, stilistischen und personellen Beziehun-
gen zwischen Tonfilm und Operette in den 1920er und -30er Jahren wur-
den wissenschaftlich vor allem aus film-, theater- und medienwissenschaft-
lichen Perspektiven beleuchtet, wobei in diesem Zusammenhang auch die
Intermedialität der Tonfilmoperette konstatiert wurde,11 nämlich u. a. als
„in einem Medium die ästhetischen Konventionen und/oder Hör- und Seh­

8 Vgl. Ibid., 244, 246 und 248, 250. Im Zeitraum 1930 bis 1932 enthielten 90 % aller
deutschen Filme Gesangseinlagen.

9 Zur Genrecharakteristik der Tonfilmoperette vgl. Wedel, Der deutsche Musikfilm,
269–70 und für einen Überblick über die Ufa-Tonfilmoperetten der Jahre 1929–1933,
vgl. Michael Wedel, „Musikfilm und Musiktheater: Zur Intermedialität der Ton-
film-Operette am Beispiel von ‚Die Drei von der Tankstelle‘“, in Blickpunkt Bühne:
Musiktheater in Deutschland von 1900 bis 1950, Hrsg. Thomas Steiert und Paul Op de
Coul (Köln: Dohr, 2014), 209 bzw. 226–7.

10 Für die Einflüsse der v. a. Berliner Unterhaltungskultur auf die Filmoperette vgl.
Paysan, „,Aus dem Geist des Boulevards‘!“, 46–66.

11 Vgl. hierzu v. a. die Monographie Wedels, Der deutsche Musikfilm bzw. der Auf-
satz „Musikfilm und Musiktheater“ sowie die Sammelbände MusikSpektakelFilm
(München: edition text + kritik, 1998) und Malte Hagener, Hrsg., Als die Filme sin­
gen lernten: Innovation und Tradition im Musikfilm (München: edition text + kritik,
1999). Was die Beziehung zwischen Operette und Film im Allgemeinen betrifft, so
ist zudem ein Fokus auf Adaptionen von präexistenten Bühnenwerken für den Film
bzw. Operetten von bekannten Komponistenpersönlichkeiten aus der Welt der Ope-
rette zu beobachten. Den in der Berliner Film- bzw. Unterhaltungsindustrie tätigen
Komponisten wurde darum zunächst nur wenig Augenmerk geschenkt, weshalb es
in diesem Bereich zu (unbewussten) Kanonisierungsprozessen kommt, die nur ei-
nen kleinen Teil der zeitgenössischen Realität abbilden.

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