Page 110 - Weiss, Jernej, ur./ed. 2021. Opereta med obema svetovnima vojnama ▪︎ Operetta between the Two World Wars. Koper/Ljubljana: Založba Univerze na Primorskem in Festival Ljubljana. Studia musicologica Labacensia, 5
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opereta med obema svetovnima vojnama

rette selbst – in einem internationalen Rahmen, wodurch diese medialen
Distributionsprodukte auch als ein wichtiges Standbein des Musikver-
lagswesens im Allgemeinen dienten.17 Für Wien ist in diesem Zusammen-
hang beispielsweise exemplarisch der Lyra-Verlag zu nennen, der, teilweise
durchaus in einer rechtlichen Grauzone, Produkte wie Operettenpostkar-
ten und Schlagersammlungen (Molitor’s Lieblingsliederbücher) lancierte,
die „ZUM MITSINGEN insbesondere bei den Radio-Rundfunk-Aufführun­
gen“ gedacht waren.18

Die sich Anfang der 1930er Jahre etablierende Tonfilmoperette weist
vergleichbare mediale Transfers ihrer Musik auf: Strategische Musikver-
marktung spielte auch für den frühen deutschen Tonfilm, wie auch für
musikwirtschaftliche Unternehmen wie Musikverlage und Schallplatten-
firmen, eine wichtige ökonomische wie ideologische Rolle. Nicht umsonst
installierte die deutsche Ufa mit dem Ufaton-Verlag einen eigenen Musik-
verlag mit dem Zweck, zusätzliche Einnahmen aus der Musik seiner Fil-
me, den so genannten Tonfilmschlagern, zu lukrieren – und zwar sowohl
in Form von Notenmaterial für die Aufführung zu Hause oder im öffent-
lichen Raum als Tanzmusik als auch über Schallplatten.19 Wie groß die Be-
deutung der Schlager bereits bei der Ankündigung eines Films war, zeigt
eine in den Filmnachrichten der Neuen Freien Presse erschienene Notiz in
Bezug zu Paprika mit dem bezeichnenden Titel „Die Schlager Franziska
Gaals in ‚Paprika‘“. Die Hauptdarstellerin des Films, Franziska Gaal, die
bislang vor allem auf der Budapester Operettenbühne für Furore gesorgt
hatte, und die in der Ankündigung entsprechend als „bekannte ungarische
Soubrette“ tituliert wird, singe „in dem genannten Lustspiel […] vier von
Franz Wachsmann komponierte Schlager.“ 20 Aus der Bezeichnung „Lust-

17 Vgl. dazu Tobias Becker, „Die Anfänge der Schlagerindustrie: Intermedialität und
wirtschaftliche Verflechtung vor dem Ersten Weltkrieg“, in Song und populäres Mu­
siktheater: Symbiose und Korrespondenzen, Hrsg. Michael Fischer, Wolfgang Jansen
und Tobias Widmaier (Münster [u. a.]: Waxmann, 2013), 11–39.

18 Molitor’s Lieblingsliederbücher, Bd. 10 (Wien: Lyra-Verlag (H. Molitor), 1925), zi-
tiert nach: Murray G. Hall, „Musikalienverlage in Wien ab 1900 am Beispiel des Ly-
ra-Verlags (H. Molitor) und des Zeichners Gabor von Ferenchich“, Mitteilungen der
Gesellschaft für Buchforschung 1 (2018): 27. Für einen historischen Überblick über
den Lyra-Verlag und Abbildungen u. a. der Operettenpostkarten vgl. ibid., 7–35.

19 Vgl. Klaus Kreimeier, Die Ufa-Story: Geschichte eines Filmkonzerns (München [u. a.]:
Carl Hanser, 1992), 230 und Wahl, Sprachversionsfilme aus Babelsberg, 201–10.

20 „Filmnachrichten“, Neue Freie Presse, 6. Dezember, 1932, 8. Die Fokussierung auf
Sängerstars in der Operette wird im Übrigen in den 20ern und 30ern im Zuge der
Diskussion um eine Krise der Operette immer wieder als negativ hervorgehoben
(vgl. Wedel, „Musikfilm und Musiktheater“, 229). Gerade diese Tatsache wird aber

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