Page 142 - Weiss, Jernej, ur. 2017. Glasbene migracije: stičišče evropske glasbene raznolikosti - Musical Migrations: Crossroads of European Musical Diversity. Koper/Ljubljana: Založba Univerze na Primorskem in Festival Ljubljana. Studia musicologica Labacensia, 1
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glasbene migracije: stičišče evropske glasbene raznolikosti

Die Karriere Lollis entwickelte sich ohne sichtbare Hindernisse. Jeder
andere an seiner Stelle würde dem Schicksal dankbar sein für das Schick-
sal, das ihm einen solchen Erfolg brachte. Aber nicht unser Held. Der Pe-
tersburger Rahmen wurde ihm zu eng, seine Seele sehnte sich nach Europa,
seine mit Rubeln vollgestopften Taschen schienen ihm ein reiches Leben
in absehbarer Zukunft zu ermöglichen. Während er sich auf seine Abrei-
se vorbereitet, vernachlässigt Lolli vollständig seine unmittelbaren Pflich-
ten und tritt in eine offene Auseinandersetzung mit dem Direktor „über
die Theater- und Musikhofleute“ Iwan Elagin. In einer Kampagne mit den
großen G. Paisiello und G. Angiolini obstruierten sie Elagin, indem sie sei-
ne Anweisungen ignorierten. Als Elagin verstand, woher der „Wind weht“,
wandte er sich an Potemkin und teilte ihm mit, dass seine italienischen Un-
tertanen nicht nur nicht so arbeiteten, „wie es ihr Vertrag vorsieht, sondern
sich mit Missachtung und Grobheiten weigern, sich mit ihm zu einigen, in-
dem sie immer einen Vorwand fanden, ihre Pflichten nicht zu erfüllen“14.
Erfolglos – der Fürst möchte sich nicht mit den geliebten Künstlern strei-
ten, im Mai 1779 tritt Elagin zurück.

Lolli war zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr in Petersburg. Im De-
zember 1777 sandte Lolli eine Relation an die höchste Stelle mit der Bitte,
ihm Urlaub auf Grund seines Gesundheitszustandes zu gewähren. Auch
wenn das Dekret über die Entlassung aus dem Dienst mit einer Dauer von
8 Monaten und die Überweisung zur „Heilung seiner Krankheit in Paris“15
auf den 1. Januar 1778 datiert war, so kündigte der Maestro seine Abreise 2
Wochen früher an, so überzeugt war er vom im positiven Ausgang der An-
gelegenheit.

Seine neuen Pläne teilte Lolli mit Dittersdorf, den er nach den Kon-
zerten in den skandinavischen Ländern und in Deutschland besuchte. In
seinen Memoiren erinnert sich Dittersdorf: „Er versicherte mir, dass er kei-
ne Absichten habe, nach Russland zurückzukehren, und sich entschied, zur
Begründung der Auflösung seines Vertrages ein ärztliches Attest zu besor-
gen, was bescheinigt, dass das Klima in Russland sehr schädlich für seine
Gesundheit sei.16 Und weiter: „Er besaß mehr als 10000 Florin in Gold und
hatte die Absicht, nach seiner Reise nach Wien, Paris, London, Amsterdam,
Hamburg, Berlin und Italien dieses in einer Bank gemeinsam mit dem auf

14 RGADA, F. 17, d. 322, Blatt 136.
15 RGIA, F. 468, op. 36, d. 38, Blatt 86.
16 C. D. von Dittersdorf, Memoires (Bruxelles: Th. Lombaerts, 1910), S. 181.

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