Page 147 - Weiss, Jernej, ur. 2017. Glasbene migracije: stičišče evropske glasbene raznolikosti - Musical Migrations: Crossroads of European Musical Diversity. Koper/Ljubljana: Založba Univerze na Primorskem in Festival Ljubljana. Studia musicologica Labacensia, 1
P. 147
antonio lolli – auf der route bergamo–stuttgart –sankt-petersburg–neapel

volles Konzert mit Begleitung als auch ein Solo zu spielen, was zusammen
25 Rubel kosten würde, ausgenommen ist der Preis für die Kutsche. Von
dem Konzert sollte Lolli am Vortag informiert werden“24.

Ob die angekündigten Konzerte auf dem Galerenhof stattfanden, ist
unbekannt.25 Was die privaten Einladungen anbetrifft, so hatte Lolli mehr
als genug davon: einen 25er auszugeben und eine Kutsche nach dem weltbe-
kannten Virtuosen zu schicken, war sogar für nicht so reiche Vertreter des
Petersburger Adels und der Kaufmannschaft kein Problem, ganz zu schwei-
gen von der Aristokratie. Es gab auch genügend, die das Geigenspiel erler-
nen wollten. Wenn es anders wäre, würde Lolli seine Zeit nicht umsonst in
Petersburg verbringen, sondern wäre schon bedeutend eher abgereist.

Leider konnte bisher nicht festgestellt werden, welche Opera Lollis zur
zweiten Periode seines Petersburger Lebens gehörten. Die einzigste Aus-
nahme ist die „Ecole de violon en quatuor“ – „Schule des Geigenspieles im
Quartett“, die zwischen Februar und Juni 1784 vollendet wurde und zur
gleichen Zeit von I. Hummel in Berlin und Amsterdam veröffentlicht wur-
de.26 Auf dem Titelblatt der „Schule“ – ist eine Widmung an „seine Exzel-
lenz den Fürsten Potemkin, den Präsidenten des Militärkollegiums, den
Generalgouverneur von Taurien, Novorossia, Asow, Astrachan und Sara-
tow und viele andere mehr…“ So bedankte sich der Maestro bei seinem
Gönner für die ständige Hilfe und Unterstützung, deren Bedeutung er
nicht überbewerten konnte. Das Lehrbuch genoss eine große Nachfrage, im
gegensätzlichen Fall wäre es wohl nicht mehrfach auch ohne Kenntnis des
Autoren in Paris, London, Mannheim und Offenbach mit einer willkür-
lichen Anordnung der Operanummern 7, 8, 9 und 11 neu aufgelegt worden.

24 „Ergänzung zu den St. Petersburger Mitteilungen“, 1784, 16. März.
25 Der Fakt der Interpretation der „Passionen“ durch Paisiello am Galerenhof ist

dokumentarisch festgehalten, aber nicht nach dem 16., sondern am 5. März 1784
(s. Geschichte der russischen Musik (Moskau: „Muzyka“, Moskwa, 1985), Band 3, S.
406).
26 R. Mooser ist der Ansicht, dass die „Schule“ zwischen Februar und Juni 1784
veröffentlicht wurde, da in der Widmung G.A. Potemkin als Präsident des
Militärkollegiums bezeichnet wurde, denn diesen Titel verlieh Katharina ihm im
Februar 1784. Das gleiche Datum figuriert im MGG und in einer Reihe anderer
ausländischer Enzyklopädien. Wenn man die damalige Dauer der Postsendungen
aus Petersburg nach Berlin beachtet, so kann man sich vorstellen, dass Hummel, auch
wenn er das geschickte und getippte Manuskript rechtzeitig in den Händen gehalten
hätte, so konnte er die „Schule“ nicht früher als Ende März 1784 veröffentlichen, da
er sonst die Widmung nicht hätte ändern können. Das im oben angeführten Artikel
von L. M. Butir im Wörterbuch Musikalisches Petersburg, S. 147, genannte Jahr der
Veröffentlichung 1776 ist ungenau.

145
   142   143   144   145   146   147   148   149   150   151   152