Page 224 - Stati inu obstati, revija za vprašanja protestantizma, letnik XV (2019), številka 29, ISSN 2590-9754
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povzetki, synopses, ZUSAMMENFASSUNGEN

Trubars Bibel im kulturhistorischen Kontext – zwischen Übersetzen
und Schreiben

Der wichtigste Prozess beim Entstehen eines Textes, worin die Ursprünge von Pri-
mož Trubars Opus und damit auch der slowenischen Literatur begründet liegen, war
das Übersetzen. In der vorliegenden Abhandlung werden drei Übersetzungsparadig-
men analysiert, die die europäische Gelehrtenkultur vor Beginn der Reformation präg-
ten, und die kulturhistorische Interpretation des politischen, religiösen und kulturellen
Translatio-Konzepts thematisiert. Signifikant für Primož Trubar war es, den deutschen
und/oder lateinischen Ausgangstext in slowenischer Sprache (neu) zu schaffen, um da-
durch einen Text zu erstellen, welcher Trubars Ansicht nach die Bedeutung des Aus-
gangstextes authentisch wiedergab; doch hat Trubar, um den vermeintlichen Lesern,
die an den deutschen theologischen Stil nicht gewohnt waren, den Text klar und ver-
ständlich zu machen, diesen mit anderen und zahlreicheren Ausdrücken bereichert, die
dem Ausgangstext nicht zu entnehmen waren. Aus diesem Grund bediente sich Trubar
beim Übersetzen der textlichen Transformationen des Ausgangstextes, wie Beschrei-
bung, Umschreibung mit anderen Worten, Paraphrasieren und Erklärungen mit Para-
beln; darüber hinaus war er sich bezüglich des Wortschatzes von der Existenz der Wort-
paare Germanismus – slowenisches Wort voll bewusst, wollte jedoch wegen des all-
gemeinen Sprachgebrauchs und damit verbundener pragmatischer Funktionen seiner
übersetzten Texte wie auch wegen der guten Verständlichkeit, die Germanismen nicht
auch aus seinen Texten verbannen. Trubar verwendete eine Kombination von intra- und
interlinguialer Übersetzung, und dies sogar bei der Bibelübersetzung und Übersetzung
der symbolischen Bücher, was vom Standpunkt der theologischen Praxis in der Tru-
bar-Zeit ungewöhnlich erscheint. Seine Übersetzungsstrategien wurden im jeweiligen
Vorwort zu einzelnen Ausgaben erläutert; das bekannteste Beispiel einer solchen Über-
setzung stellt die Übertragung von Confessio augustana und anderer Textquellen dar,
die als Grundlage für das slowenische Buch Articuli (1562) gelten. So findet man dar-
in in dem Kapitel, das ursprünglich De votis monachorum (Deutsch: Von den Mönchs-
gelübden) betitelt wurde, eine umfassende intra- und interlinguistische übersetzerische
Transformation der Ausdrücke im Ausgangstext, und zwar eine Textstruktur, die bis
zur stilisierten Erzählung von Antonius dem Einsiedler und dem Schuhmacher heraus-
gearbeitet ist. Die Geschichte hat folgende Merkmale: 1) konzise Erzählweise 2) kar-
ger Handlungsort ohne szenische oder ikonische Verzeichnisse (über den Wohnort des
Einsiedlers und über Alexandria erfährt man nichts, genauso wird nichts über das Zu-
hause des Schumachers verraten, wo das Gespräch stattfindet), 3) eine Handlung, die ei-
gentlich auf nur eine einzige narrative Szene reduziert ist, 4) lediglich zwei literarische
Figuren, 5) eine Struktur, in der je nach Intensität des anfänglichen narrativen Themas
die Exposition, die steigernde Handlung, der Höhepunkt, die fallende Handlung und
die Lösung aufeinander folgen und 6) ein Dialog zwischen den literarischen Figuren. Es
ist anzunehmen, dass sich die beschriebene narrative Struktur fast „katalogartig“ mit den
grundlegenden narratologischen Dimensionen der Renaissance-Novelle deckt. Und dies

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