Page 187 - Weiss, Jernej, ur. 2017. Glasbene migracije: stičišče evropske glasbene raznolikosti - Musical Migrations: Crossroads of European Musical Diversity. Koper/Ljubljana: Založba Univerze na Primorskem in Festival Ljubljana. Studia musicologica Labacensia, 1
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Die Londoner Oper des 19. Jahrhunderts
als Manifestation musikalischer Migration

Ingeborg Zechner
Univerza v Salzburgu
University of Salzburg

Das gesamte 19. Jahrhundert hindurch war die Aufführung und Produkti-
on von Opern durch internationale Transfers und Austauschprozesse ge-
prägt: Dies manifestierte sich einerseits auf der Ebene der Sänger, die En-
gagements in den musikalischen Zentren Europas annahmen, andererseits
aber auch auf Ebene der Werke. Letzteres ist vor allem auf dem Gebiet der
italienischen Oper eminent. Die bei ihren jeweiligen Uraufführungen in
Italien erfolgreichen Werke zirkulierten in weiterer Folge, meist im Reper-
toire führender Sänger der Zeit, durch Frankreich, Österreich, Deutsch-
land, aber auch England.

London stellte hier um die Jahrhundertwende durch seine hohe Dich-
te an Theatern in mehrfacher Hinsicht eine Besonderheit dar: So existierten
ab 1847 gleich zwei miteinander konkurrierende italienische Opernhäuser
in der Stadt – das Her Majesty’s Theatre und das Royal Italian Opera House
Covent Garden –, die vornehmlich mit ihren jeweiligen Sängerstars im ita-
lienischen Repertoire um die Gunst des fashionable englischen Publikums
kämpften. Besonders der italienischen Oper und den damit verbundenen
Opernstars haftete dieses Image der fashion an, das vor allem die gesell-
schaftlichen Eliten und die englische Aristokratie ansprach. Vor diesem
Hintergrund entwickelte sich London zum wohl bedeutendsten Opern-
markt der Zeit, an dem alle führenden Sänger der italienischen Oper prä-
sent waren, da sie lukrative Gagen zu erwarten hatten.

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