Page 189 - Weiss, Jernej, ur. 2017. Glasbene migracije: stičišče evropske glasbene raznolikosti - Musical Migrations: Crossroads of European Musical Diversity. Koper/Ljubljana: Založba Univerze na Primorskem in Festival Ljubljana. Studia musicologica Labacensia, 1
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die londoner oper des 19. jahrhunderts als manifestation musikalischer migration

ner Anpassung an diesen eine Neukontextualisierung und diverse Adapti-
onen der Werkgestalt resultieren.

Dieser Sachverhalt soll anhand von drei Beispielen demonstriert wer-
den: 1.) anhand von Adaptionen von Wolfgang Amadeus Mozarts Don Gi-
ovanni für die englischen Theater Londons aus den Jahren 1817 und 1820, 2.)
anhand der italienischen Adaption von Daniel François Esprit Aubers L’en-
fant prodigue aus dem Jahr 1851 und 3.) anhand der Adaption von Carl Ma-
ria von Webers Oberon im Jahr 1860 ebenfalls für die italienische Oper. Be-
sonderes Augenmerk soll hier auf den ästhetischen Prozess der Adaption
als musikalische Migration und die dramaturgische Funktion dieser Ad-
aptionen gelegt werden.

Mozarts Don Giovanni als englische Oper
1817 feierte Mozarts Don Giovanni im King’s Theatre eine umjubelte engli-
sche Premiere – dementsprechend reagierten auch die englischen Playho-
uses, wie das Theatre Royal Covent Garden oder das Theatre Royal Drury
Lane, auf diesen Erfolg und nahmen die Mozart-Oper als englische Adap-
tion in ihren Spielplan auf. Diese Adaption ging allerdings weit über eine
englische Übersetzung des Textes hinaus. Vielmehr wurde in beiden Fällen
eine neue, an die Traditionen der Londoner Playhouses anknüpfende Versi-
on der Oper geschaffen.

Im Theatre Royal Covent Garden zeichneten Henry Bishop und Isaac
Pocock für die Adaption verantwortlich, für die die Prämisse galt „the least
elaborate and most popular pieces in the Italian Opera by MOZART“3 zu
erhalten, alles andere hingegen zu adaptieren. Dies bedeutete einerseits,
aufgrund eines Mangels an fähigen Sängern, schwierige Koloraturarien zu
streichen, andererseits aber auch Gesangspartien in reine Sprechrollen um-
zuwandeln. Die wohl auffälligste Adaption in diesem Kontext ist die Neu-
konzeption der Charaktere des Don Giovanni und der Donna Elvira als
reine Sprechrollen, die an den englischen Theatern eine lange Tradition
hatten. Die Gesangsstücke hingegen wurden dramatisch unbedeutenderen
Charakteren wie Zerlina, Masetto und Don Ottavio zugeteilt. Wie Christi-
na Fuhrmann veranschaulicht, dienten diese personellen Adaptionen vor
allem der Annäherung an die englische Konvention des Melodramas, in
der die Trennung zwischen reinen Gesangsrollen, reinen Sprechrollen und
Kombinationen aus beiden angelegt war und die eine primäre Verortung
der Handlung in den Dialogen und eben nicht in den Gesangsnummern

3 The Morning Chronicle, 22. Mai 1817, zitiert nach: Fuhrmann, Foreign Opera, 43.

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