Page 191 - Weiss, Jernej, ur. 2017. Glasbene migracije: stičišče evropske glasbene raznolikosti - Musical Migrations: Crossroads of European Musical Diversity. Koper/Ljubljana: Založba Univerze na Primorskem in Festival Ljubljana. Studia musicologica Labacensia, 1
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die londoner oper des 19. jahrhunderts als manifestation musikalischer migration

eine zusätzliche komische Dimension, durch die die unmoralische Anla-
ge des männlichen Titelcharakters gebrochen und auf eine komische Ebe-
ne gehoben wurde.7 Die komische Rezeption dieser Adaption wird aller-
dings nur wegen der Bekanntheit des Don Giovanni-Stoffs möglich, die
durch die Aufführung am King’s Theatre angestoßen wurde. Dies impli-
ziert im Umkehrschluss dazu allerdings, dass die italienische Aufführung
am King’s Theatre als authentisches Original und Referenzpunkt wahrge-
nommen wurde, wogegen die Produktion in der Adaption von Bishop und
Pocock im Theatre Royal Covent Garden in der Presse der Zeit unter Recht-
fertigungsdruck stand, möglichst viel von Mozarts vermeintlich authen-
tischer Musik beizubehalten.8 Für die Burlesque Don Giovanni in London
spielten derartige Bedenken natürlich keine Rolle, dennoch lässt sich an-
hand der Gegenüberstellung der beiden Beispiele die Unterschiedlichkeit
der Playhouse-Aufführungen darstellen – als deren Grundlage jeweils die
italienische Oper Don Giovanni diente. Dass allerdings die Authentizität
und Originalität der prestigeträchtigen italienischen Opernhäuser nur eine
vermeintliche war, lässt sich an den folgenden, die italienische Oper betref-
fenden Beispielen veranschaulichen.

Aubers L’enfant prodigue als Il prodigo
– eine französische Oper als italienische Oper
Da die englische Musikpresse das Londoner Opernpublikum regelmäßig
über die aktuellen Opernerfolge in Kontinentaleuropa informierte, regte
sich bei diesem der Wunsch nach einem Import der Werke an die eigenen
italienischen Opernhäuser. Allerdings handelte es sich bei diesen Werken
nicht ausnahmslos um originär italienische Opern. Darunter fielen beispi-
elsweise auch die französischen Opern Giacomo Meyerbeers, die vor allem
in der ersten Hälfte des Jahrhunderts in der Opernwelt für Furore sorgten.
Für eine Aufführung in London ergab sich vor diesem Hintergrund das
Problem, dass eine französische Grand Opéra weder in der Sprache des Li-
brettos noch in ihrer musikalischen Struktur mit einer italienischen Oper
korrespondierte. In diesem Kontext ist auch die Art der Adaptionen von ei-
ner französischen Oper in eine vermeintlich italienische zu sehen. Beson-
ders deutlich lässt sich diese Praxis anhand der Aufführung von Les Hugu-
enots im Jahr 1848 an der Royal Italian Opera Covent Garden illustrieren.
Wie Gabriella Dideriksen zeigt, wurden, neben einer Italianisierung des

7 Vgl. ebd., 66.
8 Vgl. Fuhrmann, Foreign Opera, 43.

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