Page 123 - Vinkler, Jonatan, in Jernej Weiss. ur. 2014. Musica et Artes: ob osemdesetletnici Primoža Kureta. Koper: Založba Univerze na Primorskem.
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national-kulturellen Beziehungen
in Lviv (Lemberg) in der ersten
Hälfte der 80-en Jahre
des XIX. Jahrhunderts

Luba Kyyanovska, Lvov/Lviv

Es ist bekannt, daß der Klassiker der slovenischen Musik Fran Gerbič
eine kurze Zeit (za. von 1881 oder 1882 – bis 1885) im Zentrum der Gali-
zien, in der Stadt Lemberg (ukrainische Transkription – Lviv) verblieb.
Hier wirkte er nicht nur als Sänger (Tenor) auf der Opernbühne, sondern
auch wurde als Professor für das Gesang an das Lemberger Konservatorium
am Galizischen Musikverein eingeladen. Man betont in slovenischen mu-
sik-biographischen Quellen, daß trotzdem erfolgreicher Kariere in der galizi-
schen Stadt im 1885 kehrte er nach Zagreb zurück, um die heimische Musik
weiter zu entwickeln, und bald übersiedelte nach Ljubljana, wo schon bis ans
Lebensende blieb.1 Diese allgemeine Information erlaubt vermuten, manche
bemerkenswerte Spure des Komponisten in Lemberg auch später zu beobach-
ten, doch wegen der zahlreichen Kriege und Katastrophen des XX. Jahrhun-
derts sind fast alle Dokumente dieser Zeit verloren gegangen. Besonders rui-
nierend in diesem Sinne war die sowjetische Periode, in welcher in jedem Jahr
eine neue Revision der Bibliothek- und Archivenbeständen stattfand, folge-
richtige Bücher, Materialien und Noten aus den »bürgerlichen«, »nationa-
listischen«, »ideologisch unerwünschten« Sammlungen und Institutionen
gefunden und vernichtet sind2.

1 Information über Gerbicz stammt aus: Osebnosti, od A do L (Ljubljana: Mladinska knjiga, 2008);
wie auch: Enciklopedija Slovenije, 3. zvezek (Ljubljana: Mladinska knjiga, 1989).

2 Dr. Irena Antoniuk, jetzige Direktorin der Bibliothek Lemberger Musikakademie »Mykola Lys-
senko” hat in ihrer Doktordissertation bestätigt, daß in der Zeitspanne 1948–1988 in jedem Jahr
mindestens 20 bis 100 werten alten Dokumenten, Noten, Büchern, welche aus den Kollektio-
nen des Galizischen Musikvereins (1838–1919), des polnischen Konservatoriums (1919 – 1939), wie
auch aus den zahlreichen liebhaberischen Chören, Gesellschaften, bedeutenden privaten Perso-
nen stammten, ausgezogen und vernichtet wurden, davon zeugen auch die Listen der »verbote-
nen Literatur“, die noch heute in der Bibliothek der Akademie zugänglich sind.

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