Page 128 - Vinkler, Jonatan, in Jernej Weiss. ur. 2014. Musica et Artes: ob osemdesetletnici Primoža Kureta. Koper: Založba Univerze na Primorskem.
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musica et artes
Besonders aktiv entwickelte sich dieser Verein, als Karol Mikuli (1821–1897)
zum neuen künstlerischen Direktor des Galizischen Musikvereins im Jahre
1858 gewählt worden ist. Er war halb Armenier, halb Rumäne von der Nati-
onalität, stammte aus einer reichen Familie aus Tschernowitz (Tscherniwzi)
und dank der Möglichkeit in Paris zu studieren, wurde einer der unzähligen
Schüler von Chopin, die sich mit der Musik auf einer fachlichen Ebene be-
schäftigt haben. Dank dem starken Einfluss seines Lehrers ist er in der pol-
nischen Kultur bekannt geworden, hoch geschätzt als Komponist, Pädagoge,
Musikwissenschaftler und Dirigent, aber besonders – dank seiner unermüd-
lichen Arbeit für die Redaktion, Herausgabe und Populärisierung der Werke
von Chopin, wie auch dank der spezifischen Methodik der Klavierunter-
richt, welche er von seinem genialen Lehrer geerbt und seinen Schülern wei-
tergeleitet hat.

Der polnische Forscher Leon Tadeusz Blaszczyk macht folgende Be-
merkung »/S/eit dieser Zeit wurde die Tätigkeit des Vereins mehr intensiv
und im Programm konnte man mehr polnische Musik finden«4. Im Jah-
re 1860 hat die Gesellschaft den alten Namen wieder zu benutzen begon-
nen »Der Galizische Musikalische Verein (Musikverein) in Lviv« (In pol-
nischem Original: Galicyjskie Towarzystwo muzyczne we Lwowie). In dieser
neuen Gestalt ist der Verein unter der Leitung von Karol Mikuli zu einem
soliden bekannten Musikzentrum Galiziens geworden, dass im Laufe von
etwa 30 Jahren unter musikalischen Gesellschaften-Amateuren in Lviv den
Vorrang erreichte ... Die Tradition der regelmässigen Konzerte und Musi-
kabende, vom Verein veranstaltet, beabsichtigt noch von der Ankunft Mi-
kulis, hat sich durch die zweite Hälfte des XIX. Jahrhunderts hindurch be-
wahrt5. Vom Verein sind jährlich etwa zehn Musikabende, überwiegend der
Kammermusik und dem Auftreten der Solisten gewidmet, veranstaltet wor-
den, ausserdem sind noch von vier bis sieben Konzerte mit der Teilnahme
von Solisten, Chor und Orchester stattgefunden. Der Verein besaß zu dieser
Zeit ein gutes Sinfonieorchester, welches aus den Professoren und Studenten
des Konservatoriums, Amateuren, Mitgliedern des Theaterorchesters zusam-
mengestellt wurde. In den Aufführungen der größeren Werke wie Oratorien
oder Messen nahmen auch verschiedene entweder amateurische oder profes-
sionelle Frauen-, Männer- und gemischte Chöre. Mit solchen erstrangigen
Kräften konnte Mikuli das reiche Repertoire vorbereiten, darunter viele Ora-

4 Leon Tadeusch Blaschtschyk. Das Lembergers Musiklebeben im XIX Jahrhundert. Die östliche Über-
schau, Band 1, Heft 4 (Warszawa, 1991), 711. [L. T. Blaszczyk, Zycie muzyczne Lwowa w XIX wieku.
Przeglad Wschodni, 1. T, z. 4. (Warszawa, 1991), 711].

5 Ibid., 711–712.

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