Page 366 - Weiss, Jernej, ur. 2017. Glasbene migracije: stičišče evropske glasbene raznolikosti - Musical Migrations: Crossroads of European Musical Diversity. Koper/Ljubljana: Založba Univerze na Primorskem in Festival Ljubljana. Studia musicologica Labacensia, 1
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glasbene migracije: stičišče evropske glasbene raznolikosti

Auswanderungen verboten, gingen die meisten nach England, gefolgt von
den Vereinigten Staaten.14 Es existieren verschiedene Statistiken, allerdings
nicht für Komponisten. Nach einer vorläufigen Auflistung der „Emigration
österreichischer Musikwissenschaft, Musiktheorie, Musikpädagogik und
Musikliteratur“15, bei der auch Wellesz und Schönberg einbezogen sind,
übersiedelten von den 54 hier Genannten 29 in die USA und 15 nach Eng-
land. Diese Bevorzugung von Amerika betrifft laut verschiedenen Quellen
auch andere Sparten von Kulturschaffenden.

Wellesz hatte schon früh ein Interesse an England gezeigt, kannte das
Land und veröffentlichte in englischen Fachzeitungen und –zeitschriften.
Ebenso erschienen dort Berichte über ihn.16 Er war in Oxford gut bekannt.
1932 hatte ihm die dortige Universität den Ehrendoktor für Musik verlie-
hen. Anläßlich der 200 Jahr-Feier für Joseph Haydn wollte man einen ös-
terreichischen Komponisten auszuzeichnen. Vermutlich hat auch sein her-
vorragender Ruf als Wissenschaftler mit zur Entscheidung beigetragen.
Wellesz bedankte sich mit der Widmung seiner Kantate Mitte des Lebens
op. 45.17

Trotz der Unterstützung vieler bei der Integration, war die Eingewöh-
nung in die neue Umgebung eine schwierige Zeit, was sich stark auf seine
Arbeit auswirkte. So trat das Komponieren auffallend zurück und Wellesz
engagierte sich zunächst als Lehrer und Wissenschaftler:

„So schwer es war, sich in die neuen Verhältnisse einzugewöhnen
und in einer Sprache, die man nur unvollkommen beherrschte,
Vorträge zu halten und zu schreiben, so hoffnungsvoll schien al-
les durch die Freundlichkeit der Aufnahme, die uns zuteil wurde.
Der Ausbruch des Krieges, die erneute Unsicherheit der Existenz,

14 Peter Eppel, „Österreicher in der Emigration und im Exil 1938 bis 1945“, in:
Friedrich Stadler, Hg., Vertriebene Vernunft II. Emigration und Exil österreichischer
Wissenschaft. Internationales Symposion 19. bis 23. Oktober 1987 in Wien
(Veröffentlichung des Ludwig Boltzmann-Institutes für Geschichtswissenschaften und
des Instituts für Wissenschaft und Kunst) (Wien–München: Jugend und Volk, 1988),
S. 69–81.

15 Friedrich Heller, „Einige grundsätzliche Überlegungen zur Emigration österreichi-
scher Musikwissenschaft“, Ebenda, S. 600–602.

16 Erik Levi, „Egon Wellez und Großbritannien in den Jahren 1906-1946“, in: Hart-
mut Krones, Hg., Geächtet, verboten, vertrieben. Österreichische Musiker 1934-1938-
1945 (Schriften des Wissenschaftszentrums Arnold Schönberg 1) (Wien-Köln-Wei-
mar: Böhlau Verlag, 2013), S. 408–410.

17 Egon Wellesz, Mitte des Lebens. Kantate für Sopran, gemischten Chor und Orchester
op. 45 (1931/32).

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